Georg Möllers

Recklinghausen < > Akko: Franziskanische Brückenschläge

Gottesdienst am 1. Mai 2016 beim Schüleraustausch in der Gymnasialkirche des Petrinum, der ehemaligen Klosterkirche, mit P. Quirico Callela und Pfr. Jürgen Schwark

Die erste Pilgerfahrt eines Recklinghäusers in das Hl. Land ist für 1645 belegt. Damals erreichte der Franziskaner Johannes Schauwenburgh (1620-1679) Akko, bis 1291 letzte Hauptstadt des „Königreichs Jerusalem“. 1219 hatte Franz von Assisi in dieser Stadt seine Friedensreise während des Kreuzzuges angetreten.

Schauwenburgh entstammte einer bekannten Familie; sein Onkel Arnold war mehrfach Bürgermeister von Recklinghausen und wird im Liber Conventus Richlinghusani (1704) als „Schutzherr und Gönner“ des 1642 dort gegründeten Franziskanerklosters besonders hervorgehoben. 1658 folgte die Grundsteinlegung der Klosterkirche und 1730-1820 übernahm der Orden die Städtische Schule und führte ein Franziskanergymnasium. Jahrhunderte später sollte sich diese Tradition als nachhaltig erweisen:

1978 gründeten Recklinghausen und Akko eine Städtepartnerschaft, nach den Verbrechen des Holocaust eine ebenso herausfordernde wie bedeutsame Entwicklung, in deren Zentrum zunächst die Begegnung zwischen Deutschen und jüdischen Israelis stand. Ostern 1980 berichteten die Zeitungen in Recklinghausen vom Besuch eines Studenten, der in der noch jungen Partnerstadt Akko Kontakte zu den kleinen christlichen Gemeinden gesucht und gefunden hatte, den Griechisch-Orthodoxen, den Maroniten, den Griechisch-Katholischen und den „Lateinern“ unter Leitung der Franziskaner, die zudem die Terra-Santa-School in der Altstadt leiteten. In den zahlreichen Austauschprogrammen und bei offiziellen Besuchen von Ratsdelegationen in späteren Jahren gelang es manchmal, an diese Kontakte anzuknüpfen.

1998/99 geschah ein folgenreicher Durchbruch: Als sich auf offizieller Ebene der Außenministerien auch die Terra-Santa-School in Akko um eine Partnerschule in Deutschland bewarb und nach einem Quotensystem „zugeteilt“ werden sollte, erfuhren die Recklinghäuser über P. Quirico Calella ofm, einem engagierten Franziskaner aus Apulien, davon. Er war Pfarrer und Schulleiter in Akko. Mit Unterstützung von P. Werner Mertens ofm (damals Kommissar des Heiligen Landes), der Schulleitung des Städtischen Gymnasiums Petrinum und der Stadtverwaltung Recklinghausen gelang es, eine Schulpartnerschaft zwischen der Terra-Santa-School in Akko und dem Städtischen Gymnasium Petrinum zu vereinbaren. Das Petrinum war aus der franziskanischen Tradition in Recklinghausen hervorgegangen. Getragen wurde die Schulpartnerschaft zunächst von engagierten Religionslehrern und einem Vertreter der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit.

Von Unterbrechungen aufgrund politischer Krisen abgesehen, findet der Schüleraustausch seit 1999 jährlich abwechselnd statt, einmal ergänzt auch durch einen Lehreraustausch: Ein Beitrag zur Verständigung und des Kennenlernens, der auch durch Generationswechsel hindurch in den Kollegien und den Schulleitungen bis heute von den Schulgemeinschaften getragen wird. Die Schülergruppen aus Akko begeisterten sich für das Schlittenfahren im Januar und waren Gäste der Feiern zum 3. Oktober. Die Recklinghäuser besuchten u.a. die Wirkungsstätten Jesu am See Gennesaret und waren z. B. beeindruckt vom Treffen mit P. Johannes Simon ofm in Nazaret, mit dem sie sich solidarisierten, als dieser 2002 als Oberer während der israelischen Belagerung der Geburtskirche in Betlehem, für das dortige Kloster zuständig war.

Die Horizonterweiterung hat in der Recklinghausen auch die Sensibilität für das immer wieder gefährdete Miteinander jüdischen und arabisch sprechenden Israelis wachsen lassen, insbesondere auch für die Lage der kleinen christlichen Minderheit. P. Quirico Calella war zwanzig Jahre lang als Pfarrer und Schulleiter in Akko ein verlässlicher Ansprechpartner und wegen seiner Dynamik als „Father Quickly“ auch vielen Recklinghäusern bekannt und geschätzt. In der multikulturellen und multireligiösen Stadtgesellschaft von Akko bilden die Schule und ein Kindergarten der Franziskaner im ehemaligen Kloster der „Schwestern von Nazaret“ nicht nur das einzige christliche Bildungsangebot, sondern auch einen Lernort von Gewaltlosigkeit, Toleranz und Liebe.

Im Jahr 2000 organisierten die evangelischen und katholischen Kindergärten in Recklinghausen eine erste Hilfsaktion für diese Einrichtung in Akko. Anlässlich des Besuchs einer Pilgergruppe unter Leitung von Propst Jürgen Quante in der Schule im Jahr 2016 führte P. Quirico sie auch in diese inzwischen beengte und massiv renovierungsbedürftige Bildungsstätte für 85 Kinder: „Ist das ein guter Ort für Kinder?“ Dem Spendenaufruf des Stadtkomitees der Katholiken Recklinghausens folgten Kindergärten, Gemeinden und die Förderer des „Gasthauses zum Hl. Geist“, einer sozialen Einrichtung mit 600-jähriger Tradition. Beim Besuch der städtischen Delegation im Mai 2018 konnte P. Simon Pietro Herro, P. Quiricos Nachfolger, auf den Abschluss der Renovierungsarbeiten hinweisen: „Ich danke den Recklinghäusern für ihre Unterstützung. Gerade für die Kinder hier in der Altstadt ist der Kindergarten ein entscheidender Bildungsort.“

Inzwischen ist das Engagement der Franziskaner der gesamten Kustodie der Heiligen Landes in Recklinghausen bekannt. Das schlug sich in mehreren Unterstützungsaktionen nieder, z. B. für Hilfsprojekte für die libanesischen Klöster in Beirut und Tripolis und zweimal für die Flüchtlings- und Ernährungsprogramme in Syrien, zuletzt 2023 in Aleppo.

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